Guten-Tag-Geschichten

Meine "Guten-Tag-Geschichten" können kurz sein und nur eine spontane Idee vermitteln wollen, oder in ein paar Zeilen mehr, eine Kurzgeschichte erzählen. Manche der Texte haben einen aktuellen Bezug, andere haben viele Jahre geduldig in einer Kladde auf ihren Moment  gewartet und viele überdauerten die Zeit als Datei auf einer Festplatte.  Und da nicht alles gedruckt werden muss, was geschrieben wird, um gelesen zu werden, stelle ich sie hier auf meine Website. Viel Spaß beim schmökern.

Diese Terrasse auf Tortola, eine der größten der Britischen Jungferninseln in der Karibik, habe ich auf einem Streifzug über die Insel entdeckt. Ich war damals mit befreundeten Musikern für ein paar Wochen auf einem Kreuzfahrtschiff der AIDA-Reederei engagiert, das von Insel zu Insel schipperte und neben anderen Kreuzfahrtschiffen täglich viele tausend Menschen auf die Inseln spukte. Nicht immer zur Freude der Insulaner. Nicht selten sogar zu ihrem Verdruss. Viele dieser Schiffe haben unter ihren Passagieren überwiegend Reiche Greise an Bord. Das beste kommt zum Schluss. 


Verzagte Versager

Manche Menschen haben einfach keine Ahnung, was sie mit ihrem Leben anfangen sollen; fassen mal dies an oder machen mal das, bringen aber nichts recht zu Ende. Andere müssen zunächst Jura oder Architektur studieren, um festzustellen, dass das nicht ihr Feld ist. Dadurch sind sie dann zumindest die besser gebildeten Versager. Aber was heißt eigentlich Versager? Ein Versager müsste doch jemand sein, der sich etwas versagt. Sie jedoch haben im Gegenteil Arbeiten ausgeführt, die ihnen bald nicht mehr zusagten. Sie verzagten dann und wandten sich anderen Tätigkeiten zu. Ein Versager ist also eher ein Verzager, der vor den gestellten Anforderungen verzagt. In dem Zusammenhang finde ich es auch erstaunlich, dass es sich bei einem Versprecher nicht um eine Person handelt, die etwas verspricht, sondern um einen Fehler im gesprochenen Wort.
Aber zurück zu unserem verzagten Versager. Vielleicht wäre er in einem ihm bisher unbekannten Bereich geradezu ein Genie. Er zeigt mit jedem Anlauf auf etwas Neues den Mut, der Gefahr des Versagens - um im populären Wortsinn zu bleiben- ins Auge zu schauen. Die meisten unserer Mitmenschen bringen diesen Mut nicht auf. Sie fügen sich in den Werdegang ihrer Karriere und versagen es sich, sich selbst zu probieren und mögliche, tief im Verborgenen schlummernde Talente zu entdecken. Sie sind also im gänzlich anderen Wortsinn Versager.


Das Netz

Zu Zeiten meiner Kindheit, in den 1950erJahren, ging man nicht ins Netz, um einzukaufen, sondern man ging mit einem Netz zum Einkaufen. Damals bediente man sich nicht selbst, man wurde bedient - von Tante Emma oder Herrn Tebelmann. Damals kaufte man ein Achtel Kaffee und Reis, und Mehl wurden aus großen Schubläden mittels einer Handschaufel in Papiertüten gefüllt. Rama, die Marken-Margarine jener Zeit, gab es in 250gr. Würfeln. Butter kam nicht auf den Tisch. Die Frauen waren zumeist Hausfrauen, trugen Kopftücher, ohne Anstoß zu erregen, und eben diese Netze, in die sie ihre Einkäufe verstauten und nach Hause trugen.
Heute befindet sich die ganze Welt in einem Netz, gefüllt mit Weisheiten, Dummheiten, Informationen, Verführungen, Verirrungen, Verwirrungen, Lügen, Wahrheiten, Halbwahrheiten, Verheißungen, Verleumdungen und Waren aller Art.
Wohl dem, der es versteht, das Wahre aus dem Netz zu „klicken“.


Besser, Gerner und Lieber

Frau Lang sagt ganz klar: Wenn ich mich zwischen Hans Gerner und Wolfgang Lieber entscheiden sollte,  dann wäre mir Gerner lieber als Lieber. Ihre Nachbarin Frau Kürzer nähme lieber Lieber als Gerner.  Wenn Gerner und Lieber sich treffen, lächeln sie über die Präferenzen der beiden Damen. Sie neigen eher Herrn Besser zu. Besser ist besser als Lang und Kürzer zusammen. Besser ist in seiner sexuellen Orientierung beiden Geschlechtern zugetan. Wenn er jedoch zwischen Gerner, Lieber und Kürzer oder Lang wählen müsste, legte er sich lieber mit Lieber und Gerner nieder, weil Frau Kürzer, die nur selten die Gelegenheit zu sexuellen Kontakten findet, Besser zu fordernd ist und Frau Lang während des Aktes ständig auf die Uhr schaut, als gingen ihr Bessers Beischlafrituale auf die Nerven,  während Gerner und Lieber sich gerne einfach beschlafen lassen. Da kann sich Besser besser entfalten, seine Lüste ausleben und Neues ausprobieren. Zu einem Triangel der Lüste ist es zwischen Gerner, Lieber und Besser bislang allerdings noch nicht gekommen. Die Herren finden es besser, Besser jeweils für sich zu haben.
Herr Besser findet sich zum Tête-à-tête meist in den frühen Abendstunden ein. Beschwingt bewältigt er die Granit-Treppen in den dritten Stock, indem er gleich zwei Stufen auf einmal nimmt. Oben angekommen geht sein Atem schon nach wenigen Augenblicken wieder ruhig und gleichmäßig. Diesmal klingelt er bei Herrn Lieber. Heute hätte er Gerner Lieber vorgezogen, doch der besucht einen Nordik-Walking-Kurs auf dem örtlichen Sportplatz, um eine ähnlich gute Kondition zu bekommen wie Besser; lieber wäre ihm allerdings eine bessere.
Sekunden nachdem Besser auf den Klingelknopf Liebers Wohnung gedrückt hat, öffnet der die Tür. Besser hatte den Eindruck, dass Lieber schon hinter der Tür auf sein Klingelzeichen gewartet hätte. „Das passt mir heute gar nicht“, sagte Lieber. „Mein Sozialberater ist unerwarteterweise gekommen, um ein eigentlich für morgen geplantes Beratungsgespräch mit mir zu führen.“
„Ein Sozialberater – was ist das denn“, fragte Besser. 


„Ein Sozialberater erfüllt in der Regel das sozialarbeiterische bzw. sozialpädagogische Beratungsangebot für Einzelpersonen, Alleinerziehende oder Familien mit verschiedensten sozialen Problem-stellungen, sagte Lieber. „Im Mittelpunkt stehen das soziale System und Klienten mit ihren Bedürfnissen sowie die Lösungserarbeitung für Fragen und Probleme. Die soziale und sozialrechtliche Beratung ist von einer juristischen Beratung zu unterscheiden, wobei sich in der Praxis Überschneidungen zeigen, die durch das Rechtsdienstleistungsgesetz ermöglicht bzw. abgedeckt sind. Die fachliche Besetzung der Stellen erfolgt in der Regel durch Diplom-Sozialarbeiter bzw. Diplom-Sozialpädagogen.“

„Wer hat dir denn so was aufgeschwatzt?“ fragte Besser. Das kostet doch sicher ´n Haufen Geld“.

„Die Beratung erfolgt kostenlos, vertraulich, ggf. anonym und unabhängig von Weltanschauung und Religion“, antwortete Lieber.
„Lieber Wolfgang,“ sagte Besser, „das solltest du dir besser nicht antun. Der Sozialberater wird dir dein ganzes Sozialleben zerreden, dich in deinem bisher durchaus akzeptablen Sozialverhalten verunsichern, und dich damit über kurz oder lang zu einem wirklichen Sozialfall machen. Du bist doch längst sozialisiert und dir deiner Verantwortung für Arbeit und Gesellschaft bewusst.  Du untergräbst damit unsere Beziehung, hinterfragst womöglich unser sexuelles Selbstverständnis.“
„Ich kann das jetzt nicht mit dir diskutieren“, sagte Lieber. „Meines Wissens hat Gerner heute dienstfrei.  Ich hörte wie er zu Frau Kürzer sagte, dass er schon lang nicht mehr bei Frau Lang war, die sich meist freue, an seinen freien Tagen das Frühstück mit ihm einzunehmen. Ich denke, es wäre auch für Gerner besser, wenn er nicht den ganzen Tag lang mit der Lang verbrächte“.
Enttäuscht verabschiedete sich Besser und strebte der Treppe zu. Ohne sich noch einmal umzusehen, betrat er die Treppe und fasste einen neuen Plan für den Abend.

3. Veganer

Veganer sind im Kern
dem Fleische gar nicht fern
Wieso, werden Sie fragen
Weil sie es selber tragen
Natürlich nicht zum Kochen
Sie tragens an den Knochen.

 

 

 

4. Pastors Hand

Es ging auf Wanderschaft durchs Land
an Pastors Hand ein Konfirmand

Da fragten all die Konfirmanden,
die das als ungerecht empfanden

ob er für ihre braven Hände
nicht auch eine Spazierhand fände.

Und weil der Pastor das verstand
gab er nun keinem seine Hand.